Angriffe auf Anne - 1. Preis der Heidelberger Theatertage 2001
von Martin Crimp
Stück
Angriffe auf Anne ist ein Spiel der Irritationen. Die Hauptfigur Anne ist abwesend. Doch wer ist Anne? Künstlerin, Pornoqueen, Mutter, Mörderin oder Automarke? Der Informationsüberfluss zerstört die Identität von Anne, zerbricht sie in multible Splitter, ohne inneren Zusammenhalt und doch mit Berührungspunkten.
Angriffe auf Anne zielt auf die Grundfeste westlicher Zivilisation, auf die Rationalität des Denkens: ?what you see is what it is? Es zielt auf das Vertrauen in die heile Welt und die Unversehrtheit und Unzerstörbarkeit von Statussymbolen, als Zeichen eines positiven Weltbildes: denn "keiner montiert Sprengsätze im neuen Anny". Es ist ein Angriff auf die vielbeschworenen Superlativen der Werbe- und Medienwelt, ein Angriff auf das Vertrauen in die Kontrolle der Bilder. Die Unverrückbarkeit von Wahrheit!
Fünf Schauspieler entwerfen Bilder von Anne: Anne lächelt auf Fotos Schulter an Schulter mit Slumbewohnern, irgendwo in Südamerika, irgendwo in Afrika. Anne ist ein Auto. Sie fährt über die Brooklyn Bridge und durch die Sahara. Die Kamera liebt Anne und folgt ihr überall hin. Immer mehr Bilder kommen in Umlauf. Angriffe auf Anne - Attempts on her Life entspringt dem Stimmengewirr auf der Strasse, den Parallelgeschehnissen, dem Rhythmus der Geräusche unserer Zeit. Kaleidoskopische Szenarien versuchen Anne zu greifen. Doch kaum formt sich ein Bild ihrer Identität, löst es sich schon wieder in einzelne Fraktale auf.
Die Regisseurin Susanna Enk, überregional bekannt geworden durch ihre Inszenierung Yard Girl für das Schauspiel Essen, hat für die Inszenierung Angriffe auf Anne verschiedene Künstler eingebunden. Die beiden Düsseldorfer Bühnen- und Kostümbildner Timo Dentler und Okarina Peter, sowie die Medienkünstlerinnen Joanne Moar und Naoko Tanaka, den Berliner Musiker und Komponisten Philipp Danzeisen und den in Düsseldorf lebenden Choreografen Morgan Nardi. Neue Gesichter bietet das Schauspielensemble mit der in Berlin lebenden Agnes Lampkin, den beiden aus München angereisten Schauspielern Marie-Therese Futterknecht und Stefan Lehnen, sowie Isis Krüger aus Bonn und Michael Schories aus Köln.
Presse
"In Susanna Enks Inszenierung ... splittet sich das fünf-köpfige Ensemble in Einzelrollen auf, um dann wieder zu einem Chor zu verschmelzen, der Anne attackiert. Denn Susanna Enk steuert die aggressive Dimension an, die latent in den Erwartungen enthalten ist, die unsere Zeit an eine junge Frau stellt. Ein vielversprechender Zugriff, der eine Ahnung von der Wut gibt, die sich entlädt, wenn der andere nicht den Wünschen und Reklamebildern entspricht, die wir uns von ihm machen.
... Bemerkenswert bleibt das ausdrucksvolle Spiel von Isis Krüger, die dort, wo sie in Charakterrollen schlüpfen darf, ihre darstellerischen Fähigkeiten aufblitzen lässt." Kölnische Rundschau, 27. Oktober 2001
"Regisseurin Susanna Enk jagt mit ihren fünf Darstellern ... einem Phantom hinterher, das nie zu greifen ist: die Wahrheit. Anne steht stellvertretend für das Leben von Bühnenstars, Müttern, Töchtern, Selbstmördern und Pornostars. So viele Bilder die Schauspieler von Anne auch entwerfen, sie verschwindet in der Flut von Informationen und Eindrücken, bevor sie sichtbar wird.
Obwohl Martin Crimps Original bereits fünf Jahre alt ist, zeigt sich auf erschreckende Art und Weise, wie treffend genau Ereignisse des aktuellen menschlichen Zusammenlebens zwar antizipiert, aber nicht erfasst werden können." Bonner Generalanzeiger, 9. November 2001
"Mit seinem Stück "Angriffe auf Anne" überzeugte das Ensemble die Jury und gewann den "Heidelberger Puck". ... Den Ausschlag gab denn aber der professionlle Auftritt des Ensembles "Vor allem die schauspielerische Leistung hat überzeugt", so Matthias Paul vom Tikk-Theater.
Auch wurde von der Jury der interessant gestaltete Technikeinsatz gelobt. Das Bühnenbild sei aufwendig und schlüssig konzipiert gewesen und bot dem Zuschauer eine verrückte Optik." Heidelberger Nachrichten, 29. November 2001
Fotos
Eine Produktion des theater-51grad in Kooperation mit dem Trash Theater Köln
gefördert durch Kulturamt der Stadt Köln
Mit: Marie-Therese Futterknecht,
Isis Krüger, Agnes Lampkin,
Stefan Lehnen,
Michael Schories
Regie: Susanna Enk
Bühne und Kostüm:
Okarina Peter, Timo Dentler
Musik: Philipp Danzeisen
Choreografie: Morgan Nardi
Videoinstallation:
Joanne Moar, Naoko Tanaka
Dramaturgie: Rosi Ulrich
Premiere 25.10.2001