URAUFFÜHRUNG

andropolaroid - Kölner Tanzpreis 2010

Tanzperformance im leuchtenden Neonröhrenwald

Was tun, wenn plötzlich eine reizvolle Stimme aus einem Pulli kommt? Umarmst Du den Pulli als deine Geliebte? Oder würdest Du untersuchen, was für ein Trick sich dahinter versteckt?

Stück

Jedenfalls hast Du ab diesem Moment ein großes Luftloch in Deinem perfekten Alltag - von dort spürst Du ständig die Vibrationen der fremden Welt. Willst Du Deinen Alltag weiterspielen, als ob Du nichts merkst? Oder wagst Du den Sprung ins Loch? Drüben mag alles rosenfarbig sein, oder aber eine Nagelmatte erwartet Dich dort.

Wo auch immer Du sein magst, immer bist Du in Deiner Welt, doch hier bist Du zugleich auch der Eindringling ... In der wohl geordneteten strahlenden Neonröhrenmatrix provoziert der Ton das Licht, das Licht den Körper und der Körper den Ton - oder umgekehrt? Wenn man den Verschluss zur fahlen Welt öffnet, tauchen die farbigen Geschichten langsam auf.

Presse

Kawaguchi Androgynität zu unterstellen, würde zu weit führen - aber doch: ein weißer Schutzanzug verhüllt alles Weibliche. Wie ein Schutz vor der Außenwelt, vor der man Distanz wahren möchte. Es ist eine elektrische kalte Welt - die flackernden Neonröhren, Störgeräusche, Zischen. Die Tänzerin bewegt sich zuerst neugierig, dann wie selbstverständlich, schließlich mechanisch durch den Lampenjungle. Die Soundcollage arbeitet mit einer klugen Verteilung der Lautsprecher im Saal, von allen Seiten flüstert es japanische Sätze, Fragmente einer für uns fremden Sprache. Kawaguchi stimmt ihre Bewegungen auf die Sprache ab - oder ist es umgekehrt? - Sehenswert!" (aKT 06/2010)

"Ein roter Pulli genügt, um den täglichen Trott zu hinterfragen, zu durchbrechen. Er fällt plötzlich in diesen schwarzweißen Raum hinein. Was als technikintegriertes Kleidungsstück dem Menschen auf die Pelle rücken und sich der Vision von der Mensch/Maschine-Verbindung annähern soll, dient hier als kultureller Katalysator zwischen Mensch und Roboter, zwischen Japan und Deutschland gleichermaßen. Dem Stoff scheint Musik zu entströmen: das volkstümliche Heideröslein, frei von Romantik als quietschige Japan-Pop-Nummer interpretiert. ... Yui Kawaguchi als Androidin lädt sich die Goethe-App herunter, wechselt ihren Skin, macht ein Update ihres Avatars, erweitert ihre Freundesliste. Und wir Zuschauer könnten uns nun vor die Bühne stellen, in die Kamera lächeln und brav einen Schnappschuss von uns selbst machen." (Gastautor bei Xtra Frei, Bremen)

"Der Roboter als Ersatz-Partner - in keinem anderen Land dürfte die Liebe zum kontrolliert-funktionierenden Apparat wohl größer sein als in Japan. Yui Kawaguchi zeigt mit ihrer breitgefächerten Bewegungspalette einen "funktionierenden" Menschen, der letztlich alles Menschliche verliert. "Andropolaroid" - der Mensch als Sofortbild, eine Erscheinung ohne Bedeutung und Charakter. Eine bedrückende Kreation, aber bei Yui Kawaguchi trägt sie definitiv das Siegel "deutsch-japanische Qualitätsarbeit." (Kölner StadtAnzeiger 10.7.2010)

"Yui Kawaguchi selbst wird zu einem zeichenhaften Wesen, das mit Farbe, Licht, Raum und Ton agiert. Mit eindrucksvoller Präzision bewegt sich Kawaguchi. Wenn sie einen Maschinenmenschen auftreten lässt, erstarren nicht nur Arme und Beine, sondern selbst der Gesichtsausdruck verändert sich zu gespenstischer Künstlichkeit. Ein Lachen der Maschine demonstriert die Bedeutungslosigkeit, sie ist Zeichen ohne Gehalt, denn nur der Mensch vermag mit der Geste auch Gefühl und damit Sinn zu übermitteln. So anschaulich und pointiert wie hier werden komplexe Prozesse selten dargestellt. Die Zusammenarbeit zwischen Yui Kawaguchi und Rosi Ulrich erweist sich auch deshalb als besonders fruchtbar, weil die Choreografie nie bei lieb gewonnenen Motiven oder schönen Bildern verharrt, sondern sich zu einem delikaten Tanzkunstwerk rundet." (Kölnische Rundschau 15.5.2010)

"Das Stück beginnt mit dem Erlöschen der Scheinwerfer, eine Dunkelheit ergreift den Raum, die von nun an nur vom Leuchten der Neonröhren durchbrochen wird. Anfangs flackern sie immer nur blitzlichtartig auf und präsentieren die Tänzerin, die in einem papierenen, weißen Schutzanzug barfuß durch das Lichtfeld tanzt: kurze Bewegungen, verzerrte Sofortbilder einer Polaroidkamera. Angetrieben von elektronischen kühlen Klängen schreitet Yui Kawaguchi durch die Zwischenräume ... In ihrer Soloperformance wirft Kawaguchi einen Blick auf unsere durchrhythmisierte Gegenwartskultur mit ihren Ich-Konstruktionen. Tänzerisch überzeugend setzt sie sich als androides, von Soundcollagen angetriebenes und im Lichterwald umherirrendes Wesen in Szene." (Gastautor bei Xtra Frei, Bremen)

Video

 

Fotos

Konzept, Choroeografie & Tanz:
Yui Kawaguchi

Dramaturgie:
Rosi Ulrich

Sounddesign & Surroundmix:
Sibin Vassilev

Licht & Technik:
Fabian Bleisch

Assistenz:
Sabine Salzmann

Fotos:
Barbara Dietl

Premiere 12.5.2010