Die theatrale Abfall-Konferenz - 20 Tonnen Stadt Vol#1

In Impulsreferaten der Experten, Videopräsentationen, einer Fahrt an ausgewählte "Müll-Stationen" und der Begegnung mit St. Petronilla der Schutzheiligen der Städtereinigung verknüpfen sich Kunst und Abfall zu einer problembeladenen Einsicht: Wohin mit 20 t wilden Müll, der jährlich die Stadt Köln belastet? 20 Tonnen, das sind 20.000 Liter Bier, sind 60.000 Flaschen Jever Gold, die aufeinander gestapelt einen Turm von 15.000 m Höhe ergeben. Diskutieren Sie mit: Kann Mozart den Mikroben bei der Zersetzung des Abfalls helfen, kann Tanz die Bewegungsabläufe effektiver gestalten und Theater das Bewusstsein schärfen?

"...Dort erwarten die Reisegruppe echtes und falsches Personal, theatrale Irritationen und saubere Hochtechnologie. Eben noch sah man eine Penelope, die in der Sortieranlage ein Netz aus Plastik knüpfte, schon betritt man einen Aufzug ... Imponierend ist das allemal: die futuristisch anmutende Anlage, in der es nur ein bißchen streng riecht, die aber sonst äußerst aufgeräumt wirkt. Die Zahlen und Fakten. Die kleinen Installationen des Ensemles, die bezaubernde Begleitung durch St. Petronilla, der Schutzheiligen der Städtereinigung in Köln (Katrin Nowak)." (Kölnische Rundschau 19.3.11)

"Dort tanzt der Bär: ein Haufen bunter Punks macht Party, schmeißt Bierflaschen herum, flededert Chips und Pappteller in die Luft und grölt friedlich vor sich hin. Eine Riesensauerei - aber an den Müllparties unseres Lebens sind wir ja selbst reichlich beteiligt. ... Bei der dritten (Station) steigen die Müll-Männer in den Bus: der Charme des Authentischen wird hier leicht verwischt, natürlich haben wir gemerkt, dass diese Party inszeniert und auch betont aufgedreht und aufgesetzt war. Das geschieht leider immer wieder: dass man das Gefühl hat, die etwas gewollten Theatereinsprengsel stören den spannenden dokumentarischen Lauf von "20 Tonnen Stadt Vol#1", der "theatralen Abfallkonferenz" der Gruppe 51grad.com. Oder? In Niehl empfängt uns der leitende Ingenieur Herr Dr. Goldt zu einer atemberaubenden Führung über die Restmüllverbrennungsanlage. Und obwohl die verantwortliche Rezensentin schon seit rund 15 Jahren professionell Theater sieht, glaubt sie bis zur letzten Sekunde, hier einen realen AVG-Mitarbeiter vor sich zu haben - so professionell, engagiert und smart verkörpert Schauspieler Lars Oberhäuser seine Rolle des PR-Manns. Mit Schutzhelmen und Weste durchlaufen wir seine kleine Firmen-Gehirnwäsche - vor atemberaubender Kulisse, ..." (akT 03/2011)

Eine Liebesgeschichte

06.30 früh am Morgen. Die Nacht hängt noch wie ein graues Laken vor den Fenstern. Mein Kaffee steht vor mir, meine Zigaretten liegen neben mir, das Küchenlicht flackert, Birne kaputt, da? …. Nein, nur ein Auto.

Orange, mit einem Streifen Silber, das liebe ich. Wer hätte geahnt, dass orange meine Lieblingsfarbe wird?

Was für ein Gesicht wird er machen, wenn er heute seine Überraschung findet? Er wird die Tonnen aufmachen, sich vorher Handschuhe überstreifen, dann: bei einer nach der anderen öffnet er den Deckel. Was wird er denken, wenn er die Orchidee sieht? Wird er einen langen, gedankenvollen Blick über das Vorderhaus, das Hinterhaus, die Seitenflügel schweifen lassen? Ich würde schätzen, dass seine Augen braun sind, weil er braune Haare hat, aber im Grunde genommen können braunhaarige Männer auch blaue oder grüne, oder graue Augen haben. Ich bin mir trotzdem sicher, sie sind braun, denn der Blick, mit dem er das Haus ins Auge fasst, der ist warm, also braun.

Wie heißt du? Ich glaube, Michael, oder Thomas. Thomas bestimmt.

Was schnauft da die Straße herauf? Ist das endlich der 7,5 t? Ja. Scheinwerferbündel erfüllen mein Zimmer mit goldenem Licht, so orange wie Dezemberapfelsinen leuchtet es. Pünktlich heute. 6.28 Uhr. Es rumpelt. Es hält. Es zischt. Die Haustür wird aufgestoßen. Gleich sehe ich ihn.

In der letzten Woche habe ich in den Müllkasten einen Heliumballon gesteckt . Thomas hob den Deckel, mein Ballon, er war orange, ich musste lange nach der Farbe suchen, flog auf, flog hoch, Thomas versuchte noch, ihn zu erhaschen, aber der Ballon trieb höher, weg von ihm. Und dann stand er da, kratzte sich den Kopf und warf einen langen Blick auf alle Fenster in unserem Hof. Warum habe ich mich geduckt? Ich weiß es nicht, ich habe die ganze Woche darüber nachgedacht, ohne zu einem Resultat zu kommen. Vielleicht, weil auf dem Ballon stand „Mein Schatz!“ und das war schon ein bisschen zu sehr Anmache. Ich persönlich hätte etwas anderes raufgeschrieben, aber es war ja wie gesagt schwer, überhaupt einen mandarinfarbenen Ballon zu bekommen. In der Woche davor habe ich jedes Stück Müll, das ich produzierte - ich gab mir richtig Mühe - mit einem Herz gekennzeichnet. Und auf Konservendosen schrieb ich: „Danke, dass es dich gibt. Du machst den Tag schön.“

Freut Thomas sich auch so wie ich, wenn er die Tonnen in der Nummer 28 aufmacht?

Die Hoftür schlägt. Auf den Übertopf der Orchidee, die im Müllkasten sitzt und wartet, wollte ich schreiben, es ist schön, dass es dich gibt. Ich bin verliebt. Stattdessen habe ich mich ein wenig zurückgenommen, nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen, habe meine Nummer raufgekritzelt. Nur die Nummer. Thomas kann dann anrufen, wenn er möchte. Ich bin nicht gerne aufdringlich. Da ist er. Dunkelbraune Haare, orange gekleidet, zweimal die Woche mein gern gesehener, heißersehnter Gast. Er zieht sich seine Handschuhe an, er macht die erste Tonne auf, die zweite und dann die dritte, die Überraschungstonne. Oh. Thomas lässt den Deckel wieder zufallen. Nein, er macht ihn wieder auf. Und sieht sie, die weiße Orchidee. Er stellt sie auf die Mülltonne, kratzt sich am Kopf (das scheint eine Angewohnheit zu sein) berührt die Blütenblätter. Hat er die Telefonnummer gesehen? Ja, er schaut in die Fenster. Sein Blick wischt hin und her. Bleibt an meinem Fenster hängen. Genau! Ich habe die gleiche Orchidee in meinem Fenster stehen. Thomas angelt aus der Brusttasche seiner Latzhose sein Handy heraus, tippt. Es klingelt bei mir. Ich zucke derart zusammen, dass mein Rollstuhl quietscht. Wo ist mein Handy? Tasche? Nein. Wohnzimmer. Ich fahre dem Klingelton hinterher, ich habe es, ich zögere, ich drücke den grünen Knopf. „Ja?“, frage ich.

...